Mobil in die Zukunft

Wie kommen wir in Zukunft von A nach B? Warum braucht es eine Verkehrswende?

 

Es geht schlicht und einfach ums Klima. Bereits im Jahr 1988 meint Dr. James E. Hansen von der Columbia University und ehem. Direktor der NASA „Wir haben keine Zeit mehr zum Quasseln … der Klimawandel beeinflusst unser Klima, hier und jetzt.“ (Das Klimabuch, Esther Gonstalla). Die erste Weltklimakonferenz fand 1979 in Genf statt. Im Mittelpunkt stand die Erkenntnis, dass die Menschheit begonnen hatte, in die Entwicklung des Erdklimas einzugreifen.

 

Heute, 43 Jahre später, nach vielen aufwändigen internationalen Klimakonferenzen und dem sechsten Sachstandsbericht des IPCC (International Panel on Climate Change, gegründet 1988, bündelt dieses Gremium den Stand der wissenschaftlichen Ergebnisse aus verschiedenen Forschungsbereichen, stellt den jeweils aktuellen Stand dar und zeigt Handlungsmöglichkeiten auf.) Dieses IPCC legte bereits 1990 den ersten Bericht auf den Tisch, und es war klar: Die CO2-Emissionen müssen massiv gesenkt werden, wenn der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre stabilisiert werden soll.

 

 

Dekarbonisierung unserer Welt

 

Der Anteil des Verkehrs an den gesamten Treibhausgasemissionen (maßgeblich CO2) macht heute noch immer 30 % aus. (Umweltbundesamt, Bericht 2022, Basis Emissionen 2019) und ist im Gegensatz zu anderen Sektoren weiter steigend.

 

 

 

 

Neue Konzepte/Lösungen sind gefragt

 

Die Klimaziele – Klimaneutralität in Österreich im Jahr 2040 – sind nur erreichbar, wenn es zu Veränderungen im Mobilitätsverhalten kommt.

Es ist eine 3 Säulen-Strategie nötig:

1. Verkehr vermeiden (z.B. durch Stärkung der Ortskerne statt Zersiedelung; Videokonferenzen statt Geschäftsflüge; Homeoffice ein, zwei Tage pro Woche kann Autopendelverkehr reduzieren)

2. Verkehr verlagern: Autofahrten auf öffentliche Verkehrsmittel, kürzere Strecken auf Fahrrad und Gehen (6 von 10 Autofahrten sind kürzer als 10 Km, vier von zehn kürzer als 5 km; jede 10. Autofahrt in fußläufiger Distanz)

3. Verkehr verbessern (durch Sharing, durch E-Pkw statt Verbrenner-Pkw)

 

 

Verkehr vermeiden – wie kann das gelingen?

 

Es braucht dazu Visionen einer lebenswerten Zukunft kombiniert mit dem Mut zu anfangs unpopulären Maßnahmen. Beispiele erfolgreicher Lösungen zeigen, dass Weitblick, politischer Mut und langer Atem wichtig sind: Ken Livingstone, damaliger Bürgermeister Londons wagte die unpopuläre Einführung einer City-Maut. Heute wurde diese bereits mehrmals weiterentwickelt und demnächst eine Zero-Emission -Zone eingeführt. Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris machte nicht nur aus innerstädtischen Fahrstreifen Radwege, sondern will das Konzept der „15-Minuten-Stadt“ vor Ort umsetzen: was heißen soll, alle Orte des täglichen Bedarfs, vom Kindergarten bis zum Lebensmittelhändler sind fußläufig und sicher innerhalb von 15 Minuten erreichbar. Generelles Tempo 30 gilt nicht nur in Brüssel, sondern auch in Städten wie Graz, u.v.m. Es lohnt sich, voneinander zu lernen.

 

Gefragt sind, innovative Städte und Gemeinden und ihre Gestalter, um in ihrem Wirkungsbereich die Wege kurz, attraktiv und sicher für zu Fuß Gehende und Radfahrende

zu gestalten, die Ortskerne zu stärken und zu beleben.

Ein weiteres Beispiel: Mobilitätsstationen

In Linz-Urfahr steht den Bewohner*Innen einer Wohnanlage seit Mai 2018 eine Mobilitätsstation zur Verfügung. Es werden Alltagswege unabhängig vom Privat-Pkw unterstützt. Es stehen Fahrradständer, Fahrradboxen, zwei E-Fahrräder zum Ausleihen, eine ladesäule für E-Pkw und ein E-Transportfahrrad bereit. Die Buchung erfolgt online per Kundenkarte. In Wien werden bis 2025 100 weiterer solcher Mobilitätsstationen im öffentlichen Raum errichtet.

 

 

Den Verkehr verlagern

 

Die Digitalisierung und das Klimaticket wirken wie ein Booster für den öffentlich zugänglichen Verkehr. Ein öffentlicher Verkehr, der digital zu einem Gesamtangebot verknüpft wird – mit ergänzenden Verkehrsangeboten, die nur fahren, wenn zuvor ein Wunsch angemeldet wurde – Mobility on demand. Besonders für die erste und letzte Meile schaffen „Mikro-ÖV-Systeme“ oft den entscheidenden Lückenschluss. Das Klimaticket schafft dafür eine breite Grundlage

 

Die Digitalisierung hat das Potential, die Mobilität nachhaltiger zu machen und die verschiedenen Lebenswelten zu verknüpfen. Wenn innovative Unternehmen für ihre Mitarbeiter nachhaltige Mobilitätsangebote initiieren, fördern und schaffen – gerade im Pendelverkehr steckt ein große Potential diesen nachhaltiger zu gestalten.

 

Wenn Wohnprojekte die Mobilität mitdenken – und sharing-Varianten als Teil der Hausbetriebskosten miteinplanen ermöglicht das einen einfachen Umstieg.

Wenn die Forschung und Entwicklung Lösungen für eine CO2-neutralen Mobilität weiterentwickelt, im Sinne von „cradle to cradle“ also Abfälle als nächste Ressourcen betrachtet, schaffen wir einen langfristigen Wandel.

 

 

Den Verkehr verbessern

 

Strom aus erneuerbaren Quellen für Verkehrswende ist unverzichtbar. Dafür ist der rasche Ausbau der Ökostrom-Erzeugung notwendig, nur so sind die Klimaziele erreichbar, es braucht konkrete Pfade zum Ausstieg aus fossiler Energie und die Anpassung der Infrastrukturen. Die Effizienz des Energiesystems muss gesteigert werden, eine Ladeinfrastruktur etabliert werden.

 

 

Noch ein Wort zur Elektromobilität

 

Das Verbessern des Antriebs ist ein weiterer Baustein, der eine Reduktion von Treibhausgasen im Verkehr ermöglicht. Das bedeutet beispielsweise den Umstieg auf Elektromobilität.

 

Autos mit elektrischem Antrieb sind bereits umweltfreundlicher als Diesel- oder Benziner. Sie verursachen über den gesamten Lebenszyklus nach Berechnungen des Umweltbundesamts in Österreich bis zu 90% weniger Treibhausgase und sind dazu leise und lokal abgasfrei. Die Europäische Union plant den Ausstieg aus Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2035, ab dann sollen nur mehr emissionsfreie Neufahrzeuge verkauft werden. Begleitende Entwicklungen wie den Ausbau des Batterie-Recyclings, die Reduktion benötigter Rohstoffe und der Ausbau erneuerbarer Energien sind wichtige Faktoren, um einen tatsächlich umweltfreundlichen Umstieg zu schaffen.

 

Nach Jahren der technologischen Entwicklungsarbeit hat sich der batterie-elektrische Antrieb als, unter fast allen Umständen effizienteste und emissionsärmste Variante für den PKW-Betrieb herausgestellt. Der Wirkungsgrad der batterie-elektrischen Pkw ist im Vergleich zu Pkw mit Brennstoffzelle (Wasserstoff) zweieinhalb Mal so hoch, im Vergleich zu E-Fuels (power-to-liquid) sogar fünfmal so hoch. Wasserstoff und E-Fuels aus erneuerbarer Energie werden bei schweren Fahrzeugen, wie beispielsweise Lokomotiven, im Flugverkehr und Schiffsverkehr zukünftig eine Rolle spielen.

 

 

Die nächsten 10 Jahren sind entscheidend für eine Dekarbonisierung unserer Welt – daher geht es JETZT nicht mehr darum, Technologiedebatten zu führen, sondern rasch in die Umsetzung zu kommen. Die Reichweite von E-PKWs sind für den alltäglichen Gebrauch ausreichend, eine flächendeckende Ladeinfrastruktur ist für die weitere Ausbreitung jedoch essentiell.

 

Die Elektrifizierung der PKW-Flotte stellt einen unverzichtbaren Baustein für die Dekarbonisierung des Verkehrs dar, reicht aber für die notwendige Verkehrswende nicht aus. Dafür müssen die daraus entstehenden Chancen mit einer Veränderung des Mobilitätsverhaltens einhergehen. E-Carsharing-Systeme etwa vereinen den Vorteil der höheren Energie-Effizienz von E-PKW mit einer höheren Ressourceneffizienz durch bessere Auslastung der Fahrzeuge. Modelle dazu gibt es auch außerhalb der Großstädte, alleine in NÖ gab es im Jahr 2019 schon 90 e-Carsharing-Projekte.

 

 

Zusammenfassender Ausblick in die Zukunft:

 

Die Verkehrswende wird nicht eine große Lösung sein, sondern viele kreative Bausteine, die sich summieren: Mobiltiy as a Service – mittels App die Route planen und das Ticketing erledigen – Mobility on Demand: und dann ermöglicht, wenn ich sie brauche. Die Mobile Zukunft heißt auch: Teilen statt besitzen. Unser Verhältnis zum Auto wird sich entschieden ändern, prognostiziert auch der deutsche Automobilclub ADAC. Für die Städte von morgen bedeutet das: lebenswerter, grüner, leiser. Kein Wunder, dass auch „Autopapst“ Ferdinand Dudenhöffer überzeugt ist: „Die Zeit, dass das Auto ein Statussymbol war, ist vorbei.“

 

 

Generationengerechtigkeit und Verkehr?

 

Auf den Verkehr bezogen bedeutet das, ein für alle zugänglicher und barrierefreier Verkehr-Generationengerecht bedeutet im Hinblick auf die kommenden Generationen: nicht auf Kosten von Mensch und Umwelt in anderen Regionen der Erde,  und nicht zu Lasten künftiger Generationen.

 

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Zur Autorin:

Sonja Pickhardt-Kröpfel ist seit 1993 Mitglied des Kiwanis-Club Attnang-Puchheim Phönix. Als Betriebswirtin mit Schwerpunkt Abfallwirtschaft, war sie im Management tätig, ist dreifache Mutter, Seifensiederin und in der Kommunalpolitik Stadträtin für Umwelt und Mobilitität.  „Für mich ist das Kiwanis-Motto: "we build" - wir bauen an einer besseren menschlichen Gesellschaft, ein persönlicher Auftrag. Es geht dabei nicht nur um Charity, sondern ganz konkret um meinen eigenen CO2-Fußabdruck. Wo kann ich selbst als Individuum mein Verhalten verändern - im Sinne einer generationengerechteren Welt - nicht mehr länger Teil des Problems, sondern Teil der Lösung zu sein.“

 

 

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Weiterführende Links:

Vergleich CO2 / Energieverbrauch und Ausstoß gesundheitsschädlicher Abgase von Diesel / Benzin und E-Pkw: Grafiken am Cover des neuen VCÖ-Magazin  https://www.vcoe.at/publikationen/magazin/detail/vcoe-magazin-2021-04-oeffentlicher-verkehr-bringt-vielfachen-nutzen

Links zum Thema E-Pkw / E-Kfz: 

https://www.vcoe.at/publikationen/vcoe-factsheets/detail/vcoe-factsheet-2021-03-durch-emissionsfreie-lkw-klimabilanz-verbessern

 

https://www.vcoe.at/publikationen/vcoe-factsheets/detail/vcoe-2019-10-energiewende-im-verkehr-rascher-voranbringen

 

https://www.vcoe.at/publikationen/vcoe-factsheets/detail/vcoe-factsheet-2019-08-elektro-autos-beitrag-zur-energie-und-mobilitaetswende

  1. Entwicklung Verkehr (erste zwei Absätze): https://blog.vcoe.at/detail/frueheres-aus-fuer-verbrennungsmotoren-notwendig
  2. 100 WienMobil Mobilitätsstationen bis 2025 https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20211020_OTS0088/hankesima-stadt-wien-startet-ausbau-turbo-100-wienmobil-stationen-bis-2025
  3. Paris Konzept der 15-Minuten Stadt
    1. https://www.euronews.com/next/2021/09/16/what-are-15-minute-cities-and-how-will-they-change-how-we-live-work-and-socialise
    2. https://www.derstandard.at/story/2000121064251/auf-dem-weg-zur-15-minuten-stadt
  4. Superblock System wie in Barcelona – erster Superblock auch für Wien geplant

https://www.wien.gv.at/verkehr-stadtentwicklung/supergraetzl-favoriten.html

  1. Fit for 55 Paket der Europäischen Union mit wichtigen Maßnahmen zur Erreichung in der Mobilität: https://www.bundeskanzleramt.gv.at/themen/europa-aktuell/fit-for-55-paket-eu-kommission-geht-herausforderungen-zum-klimaschutz-an.html
  2. Faktencheck E-Mobilität (aktuelle Version, neue kommt März/April): https://faktencheck-energiewende.at/faktencheck/e-mobilitaet/
  3. Factsheet zum Thema E-Batterien von der Wiege bis zur Bare kommt ebenfalls März/April